Rechtspopulismus als Kanarienvogel – großes Interesse bei Sonntagsvorlesung in der Christuskirche Landshut

Sonntagsvorlesung_1
Bildrechte Dekanat Landshut

Am Ende der ersten Sonntagsvorlesung des Jahres in der Christuskirche ließen die Zuhörerinnen und Zuhörer den Referenten nicht gehen. Prof. Dr. Edgar Grande hatte zuvor eine Stunde mitreißend und höchst informativ über die Herausforderungen für die Zivilgesellschaft in einer Welt, die aus den Fugen ist, referiert und musste noch über eine halbe Stunde Fragen aus dem Plenum beantworten. Der emeritierte Gründungsdirektor des Zentrums für Zivilgesellschaft in Berlin stellte in seinem Vortrag die These auf, dass die politische Landschaft Europas nicht mehr länger eindimensional in das ‚Links‘ – ‚Rechts‘-Schema aufgeteilt werden könne. Es gebe einen zweite kulturell-identitäre Konfliktlinie, die sich mit den Stichworten „Schließung“, „Ausgrenzung“ und „Abgrenzung“ auf der einen Seite, „Öffnung“, Anerkennung“ und „Integration“ auf der anderen Seite abgrenzen lasse. Deshalb, so Prof. Grande, „ist der neue Populismus kein Produkt der aktuellen Krisen. Die Krisen der letzten Jahre haben den rechtspopulistischen Parteien Auftrieb gegeben – aber sie haben sie nicht ursächlich erzeugt.“  Diese neuen Parteien können daher auch nicht als reinen Protestparteien abgetan werden. Sie haben eher eine Warnfunktion wie der Kanarienvogel in der Kohlemine, der die Bergleute vor Sauerstoffmangel oder giftigen Gasen warnt. Den Erfolg der populistischen Parteien führte Prof. Grande auf reale Defizite in unserer Demokratie und auf mangelndes Vertrauen der Bundesbürger in Parlament und Regierung zurück. Darüber hinaus zeigte Prof. Grande auf, dass die Wähler radikaler nationalpopulistischer Parteien sich überwiegend in der Berufsgruppe mit geringen Wissensanteilen und wenig selbstbestimmten Tätigkeiten befinden. Prof. Grande folgerte daraus, dass Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt nicht durch Sozialpolitik, sondern durch Bildungspolitik gestärkt werden müssen. Die Aufgaben der Zivilgesellschaft in diesem Konflikt empfahl der Referent eine Doppelstrategie: einerseits klare Grenzen des Erlaubten setzen und andererseits Brücken zwischen politisch gegensätzlichen Gruppen bauen.

Dekanin Dr. Nina Lubomierski dankte Prof. Grande im Namen des Vorbereitungsteams des Freundeskreises für die vielen neuen Gesichtspunkte auf das bekannte Problem des Rechtspopulismus. Im Juni hatte Pfarrer i.R. Dr. Matthias Flothow die Leitung des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing in Landshut nach langem segensreichen Wirken abgegeben. Dekanin Lubomierski übernahm die Leitung des Freundeskreises in Landshut zusammen mit Pfarrer Christoph Hilmes und Pfarrer Lorenz von Campenhausen, tatkräftig unterstützt vom Evangelischen Bildungswerk Landshut. Für dieses Engagement überbrachte Prof. Grande der Dekanin und Doris Bauer vom ebw den Dank seiner Frau Brigitte Grande, der Vorsitzenden des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing, die aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Landshut kommen konnte. Ein besonderer Dank aller galt auch den Gebärdendolmetscherinnen, die die Vorlesung ausdrucksvoll übersetzten.

Die nächste Sonntagsvorlesung findet am 22.09.24, um 11.30 Uhr in der Christuskirche Landshut statt. Dr. theol. habil. Matthias Pöhlmann spricht über „Die Allianz des Misstrauens - Verschwörungsglaube und rechte Esoterik“.